Anregung für das Hockerpaar gaben die Schwarzwälder Trachtenhüte mit ihren markanten Bollen, die als archetypisches Motiv nicht allein für den Schwarzwald, sondern aus internationaler Sichtweise sinnbildlich für Deutschland stehen. Charakteristisch für den weltbekannten Trachtenhut sind 14 handgefertigte, verschieden große Bollen aus Wolle. Der Bollenhut entstand zwischen 1830 und 1860 und gehört zur Frauentracht in drei Gemeinden des mittleren Schwarzwaldes: Gutach, Reichenbach und Kirnbach. Die Farbe der Wollkugeln signalisiert den Ehestand der Trägerin: Rot = ledig, Schwarz = verheiratet. Im Lauf der Zeit wurden die Wollkugeln immer größer und der Bollenhut entwickelte sich zum globalen Sinnbild für den gesamten Schwarzwald.
Bollen können jedoch nicht nur Kopfzierde sein. Designer spielen etwa mit der charakteristischen Form und Farbe der Bollen und nutzen deren weiche, puffernde Eigenschaft als Sitzpolster. Die Tradition der weithin sichtbaren Kenntlichmachung des Ehestands der Trägerin des Bollenhuts mittels der Farben Rot und Schwarz wird spielerisch im Titel des Hockerpaares aufgegriffen: noch zu haben heißt bezeichnenderweise der Hocker mit Bommeln aus rotem, schon vergeben derjenige mit Bommeln aus schwarzem Wollfilz.
Die Schwarzwaldhocker überzeugen insbesondere dadurch, dass die Bollen mit ihrer charakteristischen Form und Materialität der Funktionalität der Hocker dienen, ohne dass sie dabei ihre Originalität und ihren Wiedererkennungseffekt einbüßen. Das Hockerpaar, das dem Betrachter unvermittelt das Bild des Bollenhuts als eine der großen „Ikonen“ des Schwarzwalds vor Augen ruft, beweist, dass der Schwarzwald als Marke auch als junges, zeitgenössisches Produktdesign vermittelbar ist. Solcherart ironisch mit traditioneller Schwarzwald-Thematik umgehende Objekte legen Zeugnis ab von der Aktualität der Themen „Schwarzwald“ oder „Heimat“ als identitätsstiftendes Kulturgut und gliedern sich somit ein in die umfangreiche, über mehrere Epochen reichende Schwarzwald-Sammlung des Badischen Landesmuseums.
Heidrun Jecht
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